© Anton Prock 2022
Götzens
Pfarrkirche zu
den hll. Petrus
und Paulus
Meisterwerk des Rokoko
In den Jahren 1772-1775 schuf der
Baumeister und Stuckateur Franz
Singer in seinem Geburts- und
Wohnort sein Meisterwerk. Es
handelt sich um die wohl schönste
Rokokodorfkirche Tirols, die heute
auch Wallfahrtskirche ist.
Wie kam es, dass in einem
Bauerndorf, das um 1770 nur rund
450 Einwohner zählte, ein so
prächtiges Gotteshaus gebaut werden konnte? Ein Grund ist darin zu
sehen, dass es in Götzens im 18. Jh. eine Franz-Xaver-Bruderschaft gab,
die 1758 fast 16.000 Mitglieder in ganz Tirol und Bayern aufwies. Weiters
sind einheimische Künstler wie eben Franz Singer und der aus Axams
stammende Maler Anton Kirchebner zu nennen. Dazu kam noch das
besondere Engagement der ansässigen Bevölkerung, die zahlreiche
Arbeitskräfte stellte. Gerade durch die Bruderschaft kam viel Spendengeld
zusammen. Man kann die Kirche als Prestigeobjekt der Bevölkerung und
der Bruderschaftsmitglieder sehen.
Schon das Äußere der
Kirche fällt von Weitem
durch Malereien auf, wozu
Architektelemente sowie an
der Nordfassade die
gemalte Personifikation der
Kirche im Giebel gehören.
Diese Fresken stammen, wie
jene im Inneren, vom
Augsburger Maler Matthäus
Günther. Bei den zwei Figuren in den Nischen der Nordfassade handelt es
sich um die hll. Petrus und Paulus, den beiden Kirchenpatronen.
Die Kirche besteht aus drei
aneinandergereihten
Flachkuppelräumen, die zum Chor
hin schmäler werden. Beim
Betreten der Kirche gelangt man
zuerst in das Vorjoch mit der
darüberliegenden Orgelempore.
Daran schließen zwei mit
querovalen Flachkuppeln
überwölbte Joche an. Den
Abschluss bildet der quadratische Chor mit dem Hochaltar.
Das Innere ist durch
Kolossalpilaster und einem
verkröpften Gesims
gegliedert. Auffallend ist die
intensive Stuckausstattung
von Franz Singer,
grundsätzlich in Weiß und
Grau gehalten, wobei
gewisse Teile vergoldet
sind. Besonders durch Stuck
betont sind die Kapitelle und die Wände unter dem aufgewölbten Gesims
bei den Fenstern. Barock und Rokoko bedürften des natürlichen Lichts,
das durch die großen Fenster den Innenraum beleuchtet.
In den beiden großen Ovalkuppeln
zeigen die Fresken Szenen aus der
Apostelgeschichte mit den hll.
Petrus und Paulus.
•
Im nördlichen Fresko besiegt
Petrus den Magier Simon
Magus und symbolisiert dabei
den Sieg des Christentums
über das Heidentum.
•
Der Abschied der beiden
Apostelfürsten ist im mittleren Fresko abgebildet. Links wird
Petrus verkehrt am Kreuz aufgehängt, rechts Paulus mit dem Schwert
enthauptet.
•
Matthäus Günther hat im Fresko des Altarraums die zwölf Apostel
gemalt, wobei Petrus und Paulus der hl. Maria den Plan der Götzner
Kirche darbieten.
Der Wiener Hofmaler Franz Anton Maulbertsch stellt im Hochaltar die
Gestalt der Kirche als Frau dar. Die seitlichen Statuen zeigen von links nach
rechts den Schutzengel mit dem Kind, den hl. Johannes (als Wetterherr),
die beiden Bistumspatrone von Brixen Ingenuin und Albuin, den hl. Paulus
(als Wetterherr) und den Erzengel Raphael mit dem Knaben Tobias.
Der vordere linke Seitenaltar mit dem
Bild der Verehrung der Maria
Immaculata (Maria der Unbefleckten
Empfängnis), ein Werk von Andreas
Nesselthaler, gilt als der Frauenaltar.
Dazu passen die seitlichen Statuen der
hll. Katharina (mit zerstörtem Zackenrad)
und der hl. Barbara (mit Kelch und
Hostie sowie einem Turm).
Gegenüber steht der rechte vordere
Seitenaltar,
dessen Altarbild
den
Jesuitenheiligen Franz Xaver bei der Taufe von
Heiden zeigt. Das Bild stammt aus der Werkstatt
von Franz Anton Maulbertsch. Es wird
eingesäumt von den Statuen der Jesuitenheiligen
Ignatius von Loyola (Begründer des
Jesuitenordens) und Franz Borgia. Es handelt sich
hier um den Männeraltar und um den Altar der
schon oben erwähnten Franz-Xaver-Bruderschaft.
Götzens war ein Bauerndorf. Daran
erinnert der hintere linke Seitenaltar
mit den hll. Florian, Martin und
Sebastian im Altarbild von Anton
Kirchebner. An das Bauerntum erinnern
auch die
seitlichen hll.
Isidor und
Notburga.
Der Familie
gewidmet ist
der hintere
rechte Seitenaltar mit dem Tod des hl. Josef im
Altarbild von Anton Kirchebner und den Figuren
der hll. Joachim und Anna, der Eltern von Maria.
Im modernen Volksaltar von Helmut Dreger aus dem
Jahre 1996 befindet sich die mit Stacheldraht
umwundene Urne mit der Asche des 1996 selig
gesprochenen Pfarrers von Götzens Otto Neururer,
der 1940 im Konzentrationslager Buchenwald von den
Nationalsozialisten ermordet wurde. Ihm ist auch links
im Vorraum ein Gedenkraum gewidmet.
Als herausragendes Werk von Franz Singer ist die Kanzel zu sehen, die
über und über mit verschiedensten Stuckformen verziert ist.
Das mächtige Standkreuz des Tiroler Künstlers Johann Schnegg
beeindruckt vor allem durch seine Monumentalität. Von Schnegg
stammen übrigens auch sämtliche Altäre und deren Figuren.
Matthäus Günther (1705-1788)
Matthäus Günther stammt aus Peißenberg in
Bayern. Vermutlich erlernte er die Malerei im
Kloster Wessobrunn und war dann Gehilfe
bei Cosmas Damian Asam in München. Er
ließ sich in Augsburg nieder, wurde Meister
und brachte es zum Leiter der dortigen
Kunstakademie.
Im süddeutschen-bayerischen Raum sowie in
Tirol stattete er ingesamt 40 Kirche mit
seinen Fresken aus. Der Großteil seiner
Werke gehört dem Rokoko an. Günther war
ein Meister der Illusionsmalerei, was in
seinen Scheinwölbungen deutlich zu sehen
ist. Seine Bilder sind mit zahlreichen
Personen und immer wieder auch mit Tieren
bevölkert und durch bunte Farbigkeit sowie
eine lockere Darstellungsweise
gekennzeichnet. Er führt nicht die real
vorgegebene Achitektur in der Malerei fort,
sondern schafft einen eigenen Illusionsraum,
der am unteren Freskorand meist mit einer
Landschaft mit Architekturelementen
beginnt.
Seine wichtigsten Werke in Nord- und Sütirol
sind in den Pfarrkirchen Rattenberg, Grins
und Gossensass, den Stiftskirchen St.
Georgenberg-Fiecht und Neustift bei Brixen,
der Johanneskapelle in Fieberbrunn sowie
der Basilika Wilten zu finden.