© Anton Prock 2022
Götzens
Pfarrkirche zu
den hll. Petrus
und Paulus
Stolzes Meisterwerk des Rokoko
vom einheimischen Baumeister
und Stukkateur Franz Singer
Warum steht in einem kleinen Bauerndorf, das zur Erbauungszeit der
Kirche (1772-1775) nur ca. 450 Einwohner hatte, so eine prächtige Kirche?
Man kann ruhig von der schönsten Rokoko-Dorfkirche Tirols sprechen.
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Götzens war das Heimatdorf einiger
Künstler, so von Franz Singer, Baumeister
und Stuckateur. Der Maler Anton
Kirchebner (hintere Seitenaltarbilder)
stammt aus dem Nachbardorf Axams.
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Weiters bestand eine Franz-Xaver-
Bruderschaft, deren Zentrum Götzens war.
Sie zählte in Nord- und Südtirol sowie in
Bayern rund 15.800 Mitglieder. Somit floß
viel Geld in den Ort.
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Und drittens ist noch die intensive
Volksfrömmigkeit zu nennen. Die
Bevölkerung stellte Geld, Grund und
Boden, Material und Arbeitskräfte zur
Verfügung - Kirchenbau als Prestigeobjekt.
Um 1350 taucht die erste Nachricht einer Kirche bzw. Kapelle auf, die
vermutlich an der Stelle des heutigen Theresienkirchleins am Ostende des
Ortes stand. Im 15. Jh. erfolgte neben diesem Kirchlein ein Neubau. Die
jetzige Pfarrkirche entstand zwischen 1772 bis 1775 als kompletter
Neubau. Ungewöhnlich ist die Nord-Süd-Ausrichtung, da Kirchen meist
West-Ost ausgerichtet sind, der Altar steht im Osten.
Das Gotteshaus besteht aus einer Abfolge von drei sich stufenweise
verengenden Raumeinheiten und einem halbrund geschlossenen Chor.
Aurf das schmale Vorjoch mit der Orgelempore folgen zwei stufenartig
eingezogene, querovale Flachkuppelräume. Man spricht von
“Theaterarchitektur” des Barock bzw. Rokoko, wobei der Blick auf den
Hochaltar gelenkt wird.
Die Deckenfresken
des Augsburger
Malers Matthäus
Günther stellen im
Langhaus Szenen aus
dem Leben der beiden
Apostelfürsten Petrus
und Paulus dar, im
Altarraum die zwölf
Apostel und die hl.
Maria, der Paulus den
Plan der Kirche
darbietet.
Vom Wiener Hofmaler Franz Anton Maulbertsch, der auch den Riesensaal
der Hofburg in Innsbruck mit Fresken ausstattete, stammt das
Hochaltarbild mit der Gestalt der siegreichen Kirche.
Franz Singer ist nicht nur der Architekt der Kirche, von ihm stammen auch
der üppige Stuck und die reich stuckierte Kanzel.
Der selige Otto Neururer war in Götzens Pfarrer und wurde
1940 von den Nazis im KZ Buchenwald hingerichtet. Links
unter der Empore wurde eine Gedenkstätte eingerichtet.
Seine sterblichen Überreste sind in einer Urne im Volksaltar
geborgen.
Barock - Rokoko
Der Barock herrscht in Tirol von ca.
1620 bis ca. 1770 vor, wobei die
Spätphase von ca. 1745 bis ca. 1770 als
Rokoko bezeichnet wird. Barock
bedeutet Bewegung, Dynamik,
Farbenpracht, Täuschung, Vielfalt etc.
Barockstuck ist schwer und
symmetrisch, Rokokostuck hingegen
leicht und asymmetrisch. Das Wort
Rokoko kommt von “Rocaille”
(Muschel). Es herrschen harte Farben
vor: rosa, hellblau, hellgrün, gelb, silber.
Rokoko bezieht sich immer nur auf
Dekoration und auch auf Malerei, die
Architektur jedoch ist barock.